Das Abenteuer vor der Haustür
Dass man nicht weit in die Ferne schweifen muss um etwas zu erleben ist eine alte Weisheit, der ich in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch einmal nachging.
Punkt 2Uhr ziehe ich so leise es geht die Tür unserer WG ins Schloss, schleiche mich die Treppen runter und verschwinde in den nächtlichen Straßen. Es ist kalt. Schnee bedeckt die Geh- und Radwege. Mit Rucksack bepackt laufe ich richtung Stadtzentrum. Kein Mensch ist unterwegs. Kein Autolärm. Nichts. Allein der kalte Schnee knirscht unter den schweren Bergschuhen und mein Atem zeichnet sich in weißen Wolken in der kalten Luft ab. Langsam finde ich meinen Rhythmus, werde warm und komme nach einer halben Stunde in Wöllnitz an, wo ich den Wegen bergauf in die Schrebergarten-Anlagen folge.
Irgendwie ist mir etwas mulmig, “einen wie mich könnte glatt jemand als Einbrecher deuten” schießt es mir kurz durch den Kopf. Doch die Sorge ist unberechtigt. Die Gartenanlagen wurden von ihren Besitzern dem Winterschlaf überlassen. Sie sind leer.
Etwas verloren irre ich durch die leicht vernebelte Geisterstadt. Die Stirnlampe habe ich im Rucksack gelassen. Der Schnee sorgt für genügend Sicht. Mal hier mal da biege ich rechts und links ab und bahne mir so meinen Weg zum oberen Rand der Siedlung, dem Beginn eines kleinen Waldes.
Entlang der Zäune, immer weiter bergan, stapfe ich durch den ungespurten Schnee, krieche durch ein paar Büsche und komme auf eine Lichtung. Auf dieser gelange ich ins Unterholz eines weiteren Waldes. Ich durchquere ihn auf immer steilerem Gelände bis an seinen oberen Rand und stehe endlich vor dem Ziel der Unternehmung. Vor der Studentenrutsch.
Punkt drei Uhr, exakt eine Stunde nach Aufbruch, hole ich meine Steigeisen und Eisgeräte aus dem Rucksack, trinke noch einen Schluck heißen Tee und steige in die Rinne ein, die den von Jena immer gut zu sehenden Muschelkalkberg durchzieht.
Zwar gibt es kein Eis, doch auf dem mit Schnee bedeckten Geröll komme ich erstaunlich gut voran. Schon fünf Minuten später stehe ich auf der Mittleren Horizontale. Von hier aus werfe ich kurz einen Blick hinunter auf Lobeda, Burgau und Jena selbst. Die vielen Lichter der wie Adern angeordneten Straßen erhellen den mittlerweile sternklaren Himmel.
“Jetzt geht es los” denke ich mir und folge der mittlerweile doch steilen Schnee-Rinne. Hier und da muss ich ein paar winterkahlen Bäumchen ausweichen, aber fühle mich sonst schon fast an meine hochgebirglichen Touren im Mt. Blanc Massiv zurückerinnert. Meine Gedanken sind bei mir, sie schweifen nicht ab. Konzentriert steige ich immer weiter hinauf.
Ich treffe auf die Hauptschwierigkeit zu Beginn des oberen Drittels der Rinne, ein kleiner, senkrechter Absatz aus Muschelkalk. Auf Grund des brüchigen Felses entscheide ich mich dazu in einem kleinen Linksbogen auf den Absatz zu gelangen, um dann auf einem schmalen Band wieder zurück nach rechts in die Rinne zu queren. Von hier aus steige ich durch langsam abflachendes Gelände bis hinauf auf die Obere Horizontale wo ich 3.25Uhr ankomme. Bei einem heißen Tee genieße ich fünf Minuten lang die Ruhe und Aussicht. Ein netter nächtlicher Gipfelblick unter teils sternklarem Himmel.
Zufrieden über diese kleine Bergfahrt und die erste Solo-Begehung der Route, welche im übrigen “Semesterbeitrag” heißt und von Frank und Sebastian 2005 erstbegangen wurde, schultere ich meinen Rucksack und beginne den Heimweg.
Der Oberen Horizontale folgend gelange ich auf einen schmalen Pfad der mich hinunter nach Wöllnitz und auf den Radweg zurück nach Lobeda führt. Um 4.30Uhr schleiche ich mich wieder in die WG, falle ins Bett und es dauert auch nicht lange bis ich zufrieden über die Tatsache etwas Tolles, ein Abenteuer vor der Haustür, erlebt zu haben, die Augen zu mache.
Für alle diejenigen, die Interesse an diesem Ausflug mit Bergcharakter haben, gibt es auf KVFL die nötigen Infos.
17. Januar 2010 um 19:46
du SAU !!!
glückwunsch zur ersten free-solo-begehung!
die tage nochmal für fotos???
cu
17. Januar 2010 um 21:56
hoffen wir dass bei der angesagten wärme noch etwas schnee bleibt der bei wiedereinsetzender kälte gute “firnbedingungen” bringen könnte! dann sehr gerne! lg
15. Februar 2010 um 11:43
2. nacht-freesolo begehung ist vollzogen
mfg