Zum Sport:
Letzten Mittwoch Nachmittag war ich mit Elke und Olivier am “Pierre à Voix”. Wir haben an diesem netten Felsen einen gemütlichen Nachmittag verbracht. Zu dritt wird ja meist nicht all zu Viel. Dennoch, eine 5c und zwei 6a (und die wollen auch erst mal geklettert sein) in einem schönen Umfeld!
Am Freitag Abend war Halle angesagt. Nathalie war wieder meine Partnerin. Ein gutes Dutzend Touren bis 6b – “in weiser Voraussicht” auf den folgenden Samstag !
Samstag – Bionassay! So heisst der “geheime” Spot von dem ich euch letzte Woche berichtet habe. Wir waren also wieder dort und erst gestern ist mir aufgefallen wie schön es dort oben ist! Leider hatten wir letzten Samstag Nebel und der Blick ins Tal blieb uns verweigert. Dafür wurden wir diesmal mit Sonne satt und einem traumhaften Blick ins Arve-Tal und auf den Dôme de Miage belohnt! Ich schwärme nicht sehr oft in diesem Maße, aber ich glaube vom Umfeld her, ist dies eines der besten Klettergebiete die ich jemals besuchen durfte!
Zur Kletterei:
Nachdem wir, Nathalie, Guillaume und ich, uns in den von letzter Woche bekannten Wegen, vier an der Zahl, 5b, 6b, 6b plus und 6c, “erwärmt” hatten, wollten wir mal die nächst schwereren Touren begutachten. Also ab auf die andere Seite der Wand und geschaut… .”Die 7a hier”, meinte Jeff, der zufällig mit seiner Frau Nathalie auch dort war (ich hatte sie, wie berichtet, bei einem sehr netten Abendessen bei ihnen zu Hause kennengelernt) “ist superschön!”.
Nun ja. Nathalie war Dank des vorabendlichen Kletterhallenprogramms schon gut “angeplättet” und Guillaume war irgendwie nicht sonderlich gut in Form. Also meinten sie: “C`est à toi Robert, de monter la corde!”, was so viel heißt wie: “Du bist dran! Bring mal das Seil und die Expressen rauf!”. Nebenbei sei gesagt, dass die Stimmung in unserem “Team” immer “superrigolo” ist (superlustisch ).
“Ok” dacht ich mir, “es liegt an dir!”. 7a, 15 Expressen, 80m Strick! Ja, 80m Strick! Ihr habt richtig gelesen! “40m! Abenteuer” vor mir…schlotter schlotter. “Is ne Ausdauertour, keine großartig schweren Passagen!” meinte Jeff noch so…”was für ne Neuigkeit”, dachte ich mir, “40m und Ausdauertour!?”…
Los gehts. Leichte Nervosität. Puls erhöht. Die ersten Meter gehts leicht links ansteigend und an einem aufwärtsziehenden Wulst “untergriffmäßig abziehend” aufwärts. Die erste Express beruhigt. Es ist erstaunlicherweise immer was zum Greifen da! Die Kletterschuhe haben guten Halt. Magnesiaspuren weisen auf mögliche Griffe hin…ich werde ruhiger…weitere Expressen folgen…die Kletterei bis hier nicht all zu schwer.
Weiter an Leisten und Kanten. Alles um mich herum ist ausgeblendet. Längst befinde ich mich in einem Zustand den man beim Klettern, vor allem wenns drauf ankommt, erleben kann. Eine Blase umkreist mich. Allein der nächste Zug zählt – Flow! Weiter gehts unter eine ordentlich überhängende Platte. Eine Rissspur ist das einzige was die zwei Meter kletterbar erscheinen lässt.
Zum Glück ist ein Bolt vor Ort. Das “Allez Robert!” höre ich kaum. Ich bin zu konzentriert. Seitgriffleiste links, höher antreten, eindrehen und mit rechts an der Kante des Überhangs “sondiert”. Guter Griff! Für Links gibts auch was! Ausgestreckt steh ich am Wulst. Die Füße sind nicht zu sehen. Ein beherzter Klimmzug und den Fuß auf die Dachkante. Laaannngsaaam aufrichten. Anderer Fuß dazu. Puh! Kleiner Rastpunkt. Ein Drittel(!) scheint geschafft.
Weiter. Nun an teilweise weit auseinanderliegenden, aber relativ guten Griffen. Eine harte Untergriffpassage, eine Traverse links ansteigend. Meine Unterarme laufen langsam heiß! Immer wieder versuche ich Rastpunkte zu finden. Gute Schüttler finden sich aber nicht zu oft. Das Gelände ist immer vertikal. Aber zum Glück ausreichend strukturiert. Die Tour hört nicht auf. Genuß und/oder Anstrengung. Gefühlsschwankungen.
Die Unterarme werden immer fester doch die letzten Bolts sind in Sichtweite! Ich will! Ich kann!…weiter an Aufliegern. Der letzte Bolt erreicht. Kein Stand in Sicht, aber oben legt es sich ein wenig…die Unterarme Laufen zu. Ich versuche zu rasten, suche nach Spuren. Nichts.
Wie ein Automat taste ich mit meinem Blick das Gelände vor mir ab. Nichts. Schei… nein! Bleib dran! Nähmaschiene…nicht auch noch das! Plötzlich rechts – ein Griff! Einen Meter queren. Der Seilzug macht sich bemerkbar. So groß ist der Griff auch nicht. Verdammt!
“Allez Robert!”, tönts von unten, “vas-y!” (mach dich weiter!). Was solls, was anderes ist nicht da! Nun also für links was suchen…ich taste. Nur Sloper. Nichts Gutes. Was ist hier los? Ich versuche immer wieder kurz zu schütteln. Es gelingt mir aber kaum…Es wird ernst.
Ok. Jetzt oder nie! Rechts der besagte Griff. Links eine kleine senkrechte Leiste als Seitgriff…Füße sortieren…Rechts sucht…findet nichts…doch noch mal ein Stück zurück…Links noch mal geschüttelt…wieder die Seitleiste…Rechts kurz gechalkt und geschüttelt…Abtasten. Ein Sloper…der Bolt zwei Meter links und zwei Meter unter meinen Füßen! Adrenalinschub!
…Ich versuchs, der Slpoer hält irgendwie, ich steh einigemaßen gut…Links sucht verzweifelt…Minileiste…die muss jetzt gehn! Füße hoch…die Waden versagen fast ihren Dienst und ich zittere am ganzen Wanst!…mit letzter Kraft halte ich die Leiste links und greife eine seitlich geneigte Kante mit Rechts…ich kann mich kaum noch halten…schei…jetzt fängst du dir den Satz deines Lebens ein sag ich mir noch so und versuch mit Links irgendwas zu angeln!
Noch ein Sloper…nein das wars! Jetzt fliegste ab! Los Mann!…irgendwoher hole ich noch ein paar Körnchen Kraft und schnappe mit Rechts weiter nach einem Griff…die linke Hand ist schon am Abrutschen als ich mit Rechts eine einigermaßen gute Kante zu fassen bekomme…die rettende Kette ist in Sicht…zitternder Weise krabbele ich auf den Absatz unter sie und klinke endlich den rettenden Stand! “Relais!”
Leere…
Mein Herz rast höllisch. Meine Arme sind schwer wie Blei. Meine Finger fast taub. Langsam komme ich wieder zu mir. Die Sonne brennt mir auf den Rücken. Ich drehe mich zum ersten Mal um und schaue hinunter ins Tal! …Vorher habe ich es nicht gewagt…
Wunderschön ist es!…Guillaume und Nathalie freuen sich für mich! Freude stellt sich auch bei mir ein! Glückshormone ohne Ende! Happiness! Ein Freudenschrei!
Ich genieße noch eine Minute lang die Aussicht, dann lässt mich Guillaume ab. Auf halbem Weg gratuliert mir von unten Nathalie (die Bergführerin) zum onsight und ich freue mich natürlich darüber! Sie hat extra gewartet um den “jeune allemand” zu sehen. Ihr Mann Jeff ist schon auf dem Abstieg (eine gute halbe Stunde läuft man hier hoch).
Vier Meter von der Wand entfernt (doch nicht nur vertikales Gelände ), fasse ich wieder Fuß. Nathalie (die Kletterpartnerin) und Guillaume beglückwünschen mich nochmals. Ich bin fix und alle, aber trotzdem happy.
Meine abschließende Berwertung: 40m Ausdauerkletterei mit technisch anspruchsvollen, aber nicht extrem schweren Einzelstellen. Die Schwierigkeit ergiebt sich aus der (für uns Thüringer Kletterer doch ungewohnten) Länge der Tour.
Auf jeden Fall gesellt sich die Tour, mir fällt grad ein, dass ich noch nicht mal weiß wie sie heißt, zu meinen großen Klettererlebnissen – der erste Onsight in dem Grad! Eine Nachahmung sei allen Kletterern unter euch wärmstens empfohlen!
…Im Eifer des Gefechts motiviere ich Guillaume zum Vorstiegsversuch! Das Seil wird abgezogen und er klettert los. Auf halber Höhe ist er fix und fertig…Nathalie mag nicht mehr…ich habe das “Vergnügen” meine Expressen wieder einzusammeln… …diesmal gehts allerdings nicht mehr in einem Zug…eine A0 Begehung beschreibt wahrscheinlich am besten den Stil – eine heftige Session!